Leserbrief zur Bürgerversammlung

Leserbrief zur Bürgerversammlung wegen Rüsselsheimer Theater

Gute Grundsatzidee verfehlt ihr Ziel durch schlecht umgesetztes Format

Wir leben in einer Demokratie, in der politische Entscheidungen durch gewählte Repräsentanten getroffen werden und nicht unmittelbar vom Volk selbst. Deshalb haben wir, das Volk, kaum Möglichkeiten, direkt in die politischen Prozesse eingebunden zu werden. Bürgerversammlungen sind eine gute Möglichkeit, in einer laufenden Legislaturperiode den Bürgerwillen in den politischen Entscheidungsprozessen zu hören und entsprechend zu würdigen.

Diese Absichten sind deutlich geworden, die hehren Ziele wurden aber leider nur zum Teil erreicht. Man konnte sich teilweise nicht des Eindrucks erwehren, dass die Veranstaltung eher zu einer vorgezogenen Wahlveranstaltung für die nächste Kommunalwahl wurde. Die Idee mit zwei Vertretern der unterschiedlichen Positionen eine Art Interview zu führen, war interessant. Man kann beiden Vertretern, sowohl Herrn Schmidt als auch Herrn Reiz attestieren, dass sie ihre Ansichten klar vertreten haben. Ihre vorgetragenen Argumente waren emotionsfrei und ohne Polemik. Die Ansichten von Herrn Schmidt, der die gesellschaftliche Bedeutung des Theaters für die Menschen in Rüsselsheim herausgestellt hat, traf dabei den Nerv der anwesenden Bürger. Am Ende seines Interviews wurde er mit großem Applaus verabschiedet. Die Gegenargumentation von Herrn Reiz bezog sich hauptsächlich auf die derzeitige finanzielle Situation von Rüsselsheim. Seine Ausführungen waren klar und objektiv, denn sie bezogen sich auf nachprüfbare Fakten und Zahlen. Man muss Herrn Reiz aber entgegenhalten, dass es nicht wenige gesellschaftspolitische Phänomene gibt, die zwar von der Politik entschieden werden müssen, deren aktuelle und zukünftige Bedeutung jedoch nicht allein mit Zahlen messbar ist.    

Leider kam es durch einzelne Parlamentsangehörige, die entweder früher politisch aktiv waren oder es heute noch sind, zu Äußerungen, die jeglichen Respekt vor den Ansichten der anwesenden Bürger vermissen ließen. In dieser Bürgerversammlung sollte versucht werden, das Thema Theater ernsthaft zu diskutieren. Das anwesende Publikum jedoch aufzufordern, sich von den Plätzen zu erheben, um seine Bereitschaft zu signalisieren, für das Theater zukünftig einen deutlich höheren Steuersatz zu zahlen, ist Kasperletheater und gehört nicht in eine Bürgerversammlung.

Von einer anderen parlamentarischen Seite gab es dann noch den Vorwurf, man habe vor einigen Jahren, als das Thema bereits im Parlament verhandelt wurde, niemanden aus den Reihen der anwesenden Bürger gesehen. Man verzeihe mir die Ironie, aber sollen wir zukünftig für die Parlamentssitzungen das Stadion von Frankfurter Eintracht mieten, damit alle Wähler in Rüsselsheim die Möglichkeit zur Teilnahme haben?

Im Sinne einer Bürgerversammlung hätte man die Stellungnahmen der Fraktionsvorsitzenden besser mit dem letzten Punkt der Veranstaltung verknüpfen sollen. Denn hier hatten die Bürger die Möglichkeit, ihre Ansichten zu artikulieren und anschließend Fragen an die anwesenden Vertreter der Parteien, Magistratsmitglieder und eingeladenen Fachleute zu stellen.

Fazit: Der Ansatz, durch eine Bürgerversammlung ein Forum zu schaffen, in dem eine Art direkter Demokratie praktiziert wird, wo sich die Bürger selbst artikulieren können, ist gut. Das Format sollte auch zukünftig bei zentralen Fragen genutzt werden, aber in verbesserter Form:  Die Bürgerschaft muss die Möglichkeit haben, öffentlich ihre Ansichten zu kommunizieren und für die Parlamentarier zu einem Spiegelbild der öffentlichen Meinung zu werden.

Zuletzt: Der Verband der kulturellen Vereine bekennt sich klar zum Erhalt des Theaters.

Vorstand SKV Rüsselsheim (Hanno Kirsch, 1. Vorsitzender)